Das Dilemma ‚Feedback’ –
Obwohl von den Meisten in hohen Dosen gewünscht, wird es nicht geliefert

70% der Manager meinten in der aktuellen Management-Echo-Studie vom Juni 2017 (302 Befragungsteilnehmer*)), dass sie Feedback in hohen Dosen vertragen würden. Allerdings stimmen nur 23% der Manager der Aussage zu, ‚Feedback hat bei uns einen hohen Stellenwert und wird aktiv gefördert und gefordert (z.B. Schulungen, Feedback-Runden bei Meetings, Projekten, etc.)‘ – noch dramatischer: Dieser Aussage stimmen nur 7% der Mitarbeiter zu. Ist da irgendetwas faul in vielen Organisationen? Es wird doch sehr viel Geld in Schulungen, wie man Feedback gibt, investiert. Zudem boomen Feedback-Systeme von 90 bis 360 Grad.

Wie wichtig ist Feedback für Sie und wie oft bekommen Sie ehrliches Feedback in Ihrem Unternehmen?

Die Antworten auf diese Frage zeigten die durchschnittliche Wichtigkeit bei allen Zielgruppen bei 8,5 (10-er Skala, 1 = unwichtig, 10 = sehr wichtig). Die Realisierung hingegen lässt allgemein stark zu wünschen übrig; sie liegt nur bei 5,5 – also ein Gap von 3 Punkten. Anders ausgedrückt: Für ca. 80% ist Feedback wichtig (8-10), 20% bekommen es allerdings nur ausreichend. Nur 5% meinen, dass ihnen Feedback nicht wichtig ist (1-5 auf der 10-er Skala).

Die Ergebnisse der Studie sind für viele keine wirkliche Überraschung, spannend sind allerdings Hintergrundanalysen, warum Organisationskulturen mit ehrlichem Feedback so nachlässig umgehen?

 

Ist es das Thema Zeit?

Keiner hat mehr Zeit für die wesentlichen Dinge, sondern ist nur mehr damit beschäftigt, alle möglichen Informations- und Kommunikationskanäle zu bedienen und zu befriedigen. Sind wir nicht mit Informationen und Angeboten überfressen, werden aber nie satt? Die Begründung für fehlendes Feedback in der zu spärlich vorhandenen Zeit zu suchen, gilt einfach nicht. Es ist kein Zeitthema, es ist ein Prioritätenthema. Ein direktes und sofortiges Feedback dauert ca. 30-40 Sekunden.

 

Ist es das Thema Qualifizierung?

Kann es auch nicht sein, investieren doch alle Firmen einiges in Persönlichkeits- und Führungstrainings. Ein Standardinhalt in solchen Seminaren ist das Thema Feedback. Es wird auch dort von den Teilnehmern gelernt, praktiziert und geschätzt. Jeder nimmt sich vor, das neu Gelernte in der Alltagsorganisation umzusetzen. Meist kommt es aber nicht dazu. Die Euphorie nach dem Seminar hält kurz an, das neue (gewünschte) Verhalten verschwindet aber schnell wieder in den Abgründen der gewohnten Organisationskultur.

 

Ist es das Thema Hierarchie?
Weil es von oben zu wenig vorgelebt wird?

Ja, da nähern wir uns einer soliden Begründung schon um einiges. Die Erklärung muss aber auf 2 Ebenen betrachtet werden:Die meisten Hierarchen wollen gar kein Feedback und laden dazu nicht einmal ein. Eines der besten und aktuellsten Beispiele – auch wenn es aus einer politischen Organisation kommt – ist der ehemalige Landeshauptmann von OÖ, der sich über das schlechte Wahlergebnis der letzten Landtagswahl sehr überrascht zeigte. 

Zu lange hatte er Ja-Sager um sich gesammelt, keiner von denen durften die wahren Hintergründe einer potenziellen Wahlniederlage ansprechen. Offiziell war es dann – wie so oft – die Bundespolitik (im konkreten Fall, der unprofessionelle Umgang mit der Flüchtlingskrise). Keinesfalls war die Leitfigur schuld daran. Es ist ein interessantes Phänomen, dass die oberen Führungskräfte einen persönlichen Schutzwall um sich errichten und Feedback (was meist als Kritik verstanden wird) gar nicht aufkommen lassen.

Ein weiterer Erklärungsversuch könnte darin bestehen, dass Menschen in unserem Kulturkreis möglicherweise in einer gewissen Obrigkeitshörigkeit sozialisiert worden sind. D.h. viele gehen das Wagnis gar nicht ein, den Oberen Feedback zu geben. Die Gefahr ist zu groß, dass dies als Kritik interpretiert wird und dementsprechende Folgen nach sich ziehen würde. Exzellente –negative –  Beispiele gibt es nicht nur aus kirchlichen Organisationen (Skandale versucht man immer gut zu verdecken, Feedback und Bottom-up Kritik ist überhaupt nicht erwünscht) sondern auch aus großen Konzernen. Sehr aktuell ist das VW-Syndrom. Viele wussten es, keiner tat aber was dagegen, stand doch für jeden persönlich zu viel auf dem Spiel.

 

Ist es das Thema Angst (vor Veränderung)?

Der Mensch fühlt sich in einem stabilen, kontrollierbaren Umfeld am komfortabelsten. Warum soll ich mich mit Informationen über mein Verhalten auseinandersetzen, dass könnte mich doch nur irritieren und meine Überzeugungen und Prinzipien ins Wanken bringen? Warum soll ich mich mit zu vielen neuen Leuten auseinandersetzen, die könnten mir doch Aspekte aufzeigen, die mich nur verunsichern würden? Haben Sie folgendes nicht auch schon öfter beobachtet (entweder an sich selber oder auch bei anderen)? Wir Menschen tendieren dazu, uns immer mit denselben Freunden und – wenn möglich – auch mit denselben Kollegen zu umgeben. Da kann nichts passieren, Rituale haben sich eingespielt, Tabus sind klar und abgegrenzt, es kommt keiner auf die Idee, kritische und innovative Ideen zu liefern.

 

Dabei wäre doch Feedback so was Schönes: ‚Faszination Feedback’ hat es mein Kollege Harald Preyer in einem Artikel genannt.
Der Trend muss eindeutig weggehen von traditionellen Mitarbeiterbefragungen, die nur alle 3-4 Jahre durchgeführt werden (siehe auch meinen Blog zum ‚Befragungswahn’) hin zu hoch frequenten Feedback-Systemen:

  • Multi-Perspective-Feedbacks: Dazu gehören alle Ansätze Personen im Unternehmen in regelmäßigen Abständen und aus verschiedenen Richtungen (von Kollegen, von Mitarbeitern, von oben, etc.) anonymes Feedback zu geben. Wenn man die Selbst- den Fremdeinschätzungen gegenüberstellt, gibt es immer spannende Überraschungen. Anonym geht doch leichter als direkt. Wenn es die Feedback-Empfänger dann noch schaffen, über – meist quantitative – Feedback-Inhalte in einen qualitativen Dialog zu kommen, dann ist viel geschafft.
  • Feedback-Systeme im Sinne des Qualitätsmanagements und einer ausgeprägten internen Kunden- und Lieferantenorientierung. Aktuell haben wir in einer mittelgroßen Organisation (knapp 1.700 Mitarbeiter) ein sehr effektives Resonanzsystem entwickelt, in dem in Halbjahresabständen allen Mitarbeitern online die Möglichkeit gegeben wird, die Zusammenarbeit mit ihren internen relevanten Abteilungen zu bewerten.
  • Ein interessanter Ansatz wird auch von Teamecho (www.teamecho.at) verfolgt. Mitarbeiter haben kontinuierlich die Möglichkeit Stimmungen und Klima in ihren Teams und Gruppen zu beurteilen.
    Ehrliches Feedback zu bekommen ist eine der schönsten Erfahrungen. Schritt für Schritt kann eine Feedback-Kultur in Unternehmen etabliert werden. Es braucht etwas Offenheit und Bereitschaft dazu. Gefördert wird unternehmerisches Denken, Innovationskraft und am Ende des Tages auch der Profit.

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